Wer ist Brunhilde?

Dienstag, 1. Oktober 2019

Was hat Brunhilde mit Polio zutun? Und weshalb wurde die Kinderlähmung in Afrika bis vor kurzem nur in Nigeria nicht ausgerottet? Die Einführung zum Thema Polio von Rotarier Prof. Dr. med. Walter Weder hat es in sich. 

Nun, Brunhilde, so heisst der virulenteste Serotyp (Variation) des Polio-Virus, der verantwortlich ist für die Kinderlähmung. Es gibt noch zwei weitere Serotypen, die aber kaum aktiv sind. Das Polio-Virus kommt weltweit vor, ausser in den Polargebieten.

Der Grund für die Lähmungen

Die Viren befallen Motoneuronen, das sind die Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmarks. Die Motoneuronen steuern die Aktivität der Muskeln. Bei Befall dieser Nervenzellen reagiert das Immunsystem  mit einer sehr starken Infektion,  was zur Zerstörung nicht nur des Virus, sondern der Zellen führt. Die Folge sind oft irreversible Muskellähmungen, meistens in der Peripherie, seltenerweise aber auch der Atemmuskulatur, mit entsprechend tödlichem Verlauf. So wie der deutsche Name es sagt, werden vor allem Kinder befallen und während des Wachstums führen die gelähmten Körperteile teils zu grotesken Körperdeformitäten wie zum Beispiel Rundrücken oder völlig deformierte Beine. 

Die Übertragung

Der Mensch ist der einzige natürliche Wirt. Das macht es möglich, durch konsequentes Impfen das Virus zum Verschwinden zu bringen. Die Übertragung erfolgt durch Schmierinfektionen, das heisst durch Kontakt mit verschmutzten Händen oder Gegenständen, denn das Virus wird über Urin und Kot ausgeschieden. Es kann aber auch eine sogenannte Tröpfcheninfektion geben, durch das Sekret Frischinfizierter aus Nase und Mund. 

Auch US-Präsident Roosevelt erkrankt

Ende des 18. Jahrhunderts hat man das Krankheitsbild erstmals beschrieben. Bis dahin kam die Polio nur gelegentlich, sogenannt endemisch, vor. Eigentliche Epidemien, die Tausende von Menschen betrafen, traten erst ab 1880 auf. Diese Epidemien hatten einen Turnus von etwa 5 bis 6 Jahren – und es gab berühmte Personen, wie zum Beispiel den amerikanischen Präsidenten Franklin Roosevelt, die betroffen waren.

Erste Impfungen gegen Polio

1954 hat Jonas Salk einen inaktivierten Polioimpfstoff entwickelt, der aber nur unzureichend wirkte. Erst 1960 kam der abgeschwächte Lebendimpfstoff vor, der zum entscheidenden Umbruch in der Poliobekämpfung führte.

DDR vor BRD

Die WHO hat 1988 ausgerufen, die Polioerkrankung weltweit zu eradizieren. Damals sind noch jährlich 350'000 Menschen weltweit frisch erkrankt. In Europa wurde bereits viel früher, nämlich in den 60er Jahren, mit der prophylaktischen Impfung begonnen. Interessanterweise hat die DDR dies 1960 und 2 Jahre vor der Bundesrepublik Deutschland eingeführt – mit dem Resultat, dass 1961 nur noch 4 Neuerkrankungen in der DDR festgestellt wurden gegenüber 5'700 in der BRD. Erst 2 Jahre später hat sich die Erkrankungshäufigkeit in beiden damals getrennten Ländern auf Einzelfälle reduziert und angepasst. 

Terror gegen Impfungen in Nigeria

In Nigeria kam es im Jahr 2003 zu einem erneuten Ausbruch der bis dahin fast ausgerotteten Polio, nachdem Ibrahim Datti Ahmed, Arzt und Präsident des obersten Scharia-Rats, in einer Fatma angeordnet hat, dass Polioimpfungen eine Verschwörung seitens der USA und der UN gegen muslimisch Gläubige darstellt und deshalb gestoppt werden müsse. Die Poliofälle nahmen zu. Im nigerianischen Kano wurden Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes, die in Impfprogrammen mitwirkten, von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram ermordet. Erst seit einiger Zeit ist die Impfung wieder flächendeckend in Nigeria möglich, was dazu geführt hat, dass seit August 2019 Nigeria als poliofreies Land erklärt wurde. 

Rotary International nahm das Thema 1979 auf, was wesentlich dazu geführt hat, dass durch die Impfaktionen Poliomyelitis zu 99,9 % ausgerottet wurde. 

Prof. Dr. med. Walter Weder
Präsident RC Zürich

Präsident RC Zürich Walter Weder mit Rot. Doris Albisser und Governor Magdalena Frommelt